In der aktuellen Debatte über mögliche Regierungskoalitionen nach der Bundestagswahl 2013 stellt sich nicht nur die Frage nach inhaltlichen Gemeinsamkeiten, sondern viel mehr noch, in welchem Umfang jede der beteiligten Parteien bereit ist, auf eigene Inhalte zu verzichten. Seitens der Verhandlungsführer wird versucht, parlamentarisch mehrheitsfähige Übereinkünfte durch wechselseitigen Verzicht auf Postionen aus dem Wahlprogramm auszuhandeln. Nur dann sind die im Parlament und im Bundesrat notwendigen Mehrheitsentscheidungen zu erwarten.
Mehrheitsentscheidungen sind durch unsere Verfassung legitimiert. Aber sind sie klug, sind sie weise, sind sie gut?
Mehrheitsbeschlüsse sind ein Oktroy gegenüber Minderheiten und schaffen Konfliktpotential für die Zukunft. Wenn das Rechtsgefühl einer großen Minderheit der Bevölkerung durch ein Gesetz verletzt wird, sind seine Durchsetzung, seine Einhaltung und damit sein Bestand fraglich. Eine Revision bei geänderten Mehrheitsverhältnissen ist wahrscheinlich.
Durch das Scheitern sowohl der FDP als auch der AFD knapp an der 5% Hürde und ebenso nicht berücksichtigter Stimmabgaben für kleinere Parteien, werden schon allein die Ansichten von mehr als 6,5 Mio Wählern im Parlament nicht vertreten sein. Sollte es nicht zu einer großen Koalition kommen, bleiben die Überzeugungen weiterer 21 Mio Wähler bei einem nur mit einfacher Parlamentsmehrheit verabschiedeten Gesetz unberücksichtigt. Die Interessen der ca. 18 Mio Nichtwähler sind dabei einmal gar nicht betrachtet.
Die Rechtsordnung in einer Demokratie braucht aber eine breite Akzeptanz der Bevölkerung. Sie muß mit dem allgemeinen Rechtsgefühl in Übereinstimmung stehen, sonst wird sie als illegitim erlebt.
Ein breiter Konsens im Parlament wäre also wünschenswerter, als das wechselseitige Durchsetzen von bzw. Verzichten auf einzelne Positionen und Überzeugungen. Eine solche Einigung zu erzielen, wäre eine Aufgabe der Mediation.
Anstatt aufgrund eines in der Koalitionsverhandlung „zähneknirschend“ akzeptierten Kompromisses gegen die eigene Überzeugung abzustimmen, wäre es sinnvoller in einem Mediationsverfahren eine gemeinsame Lösung zu erarbeiten, die jede Partei als Erfolg ansehen und die von einer breiten Bevölkerungsmehrheit akzeptiert werden kann.
Gerechtigkeit resultiert aus dem Konsens. Die Mehrheitsentscheidung als Verfahrensprinzip sollte schon deshalb nur als Ultima Ratio verstanden werden.
(in Anlehnung an Montada/Kals, Mediation, 2.Aufl., S.17)